Predigt, die sich an die Bibel hält, ist immer auch politisch
In vielen Erzählungen stellt sich Gott auf die Seite der Unterdrückten: Gott befreit aus der ägyptischen Sklaverei und klagt die Unter-drücker an. In Visionen werden die gesell-schaftlichen Strukturen umgedreht. Maria singt davon, wie Gott die Mächtigen vom Thron stößt und die Niedrigen erhebt …
Gott liebt die Menschen, die Opfer und die Täter. Seine Liebe verändert. Die einen befreit er aus der Unterdrückung und die anderen von ihrer Rolle als Unterdrücker. Mit anderen Worten: Gott versöhnt die Menschen, in dem er die Gegensätze provokativ herausstellt und sich nicht vor einer Polarisierung scheut. Er hält nichts davon, alles “im Weichspüler” zu harmonisieren!
Aber es gilt auch: Wer sich einmischt in diese Welt, verliert auch seine Unschuld. Diese Erfahrung der Men-schen wagt die Bibel auch auf Gott zu übertragen. So gerät manchmal auch Gott selbst auf die Anklagebank und wir fragen nach Gottes Gerech-tigkeit. Die Bibel stiftet die Menschen zu Widerspruch und Widerstand an.
Predigten, die diese Provokation der Bibel ernst nehmen, reden nicht von einem “lieben Gott”. Da verkommt Segen nicht zu einer “Wellness-Erfahrung”, sondern ist ein Frontalangriff auf die Un-menschlichkeit dieser Welt.
Und darum: Bibelorientierte Predigt ist immer auch politische Predigt. Es geht um Befreiung und nicht nur um Erlösung, um Heilung und nicht nur um Vergebung, um gerechte soziale und politische Verhältnisse. Christen erwarten “das Paradies auf Erden” und lassen sich nicht auf nur einen “neuen Himmel” vertrösten. Und dieses “Paradies auf Erden” ist bruch-stückhaft “auch heute schon” Wirklichkeit und deshalb können und dürfen Christen “nie zu früh zufrieden” sein. Das Volk Gottes ist ein kritisches Gegenüber zum Staat und hält Fürbitte auch für gottlose Obrigkeit.
Wer also eine unpolitische Predigt fordert, wendet sich gegen die Bibel. Denn Predigt muß erzählen, was Gott getan hat, tut und tun wird, wie Gott die Welt verändert. Und darin zeigt die Predigt auch, dass Gott die Menschen tröstet.
Doch eines darf Predigt nicht sein: zu einer “Hofpredigt” verkommen und den Herrschenden nach dem Mund reden oder sich dem “main-stream” unterwerfen und den “Leuten es recht machen”! Die biblische Predigt führt aus dem Gewohnten, der “political correct-ness” heraus und weist uns neue Wege, Gottes Wort zu hören. Nicht wenige Predigten ecken an und fordern neues Denken heraus. Das ist nicht ohne Risiko verbunden und fordert Widerspruch heraus. Aber so werden wir wieder Protes-tanten, die im Sinne der Bibel Ge-rechtigkeit in dieser Welt fordern.
Johann-Albrecht Klüter